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Booker Prize 2022 - Longlist

Am 26. Juli wurde die Longlist des Booker Prize 2022 bekanntgegeben: 13 von 169 Titeln sind ausgewählt, im nächsten Schritt wird am 06. September die Shortlist und am 17. Oktober die Entscheidung verkündet. Drei Romane der Longlist können wir Ihnen persönlich empfehlen, alle drei gibt es auch schon in der deutschen Übersetzung:

Elisabeth Strout: Oh William! / Oh, William! @Luchterhand Literaturverlag
Übersetzt von: Sabine Roth

Oh, William! ist der dritte Roman von Elisabeth Strout, in dem sie auf das Leben der fiktiven Schriftstellerin Lucy Barton schaut. Der etwas nostalgische, spöttische Tonfall des Titels prägt auch die Perspektive, die Lucy und William auf ihre gescheiterte Ehe haben. Die Trennung und weitere Ehen der Beiden ändern jedoch nichts an der großen „schauerlichen“ Vertrautheit und so reisen sie auf einem Roadtrip durch Maine und in die Vergangenheit von William. Strout schreibt detailreich und mit großer Beobachtungsgabe über sich verändernde, aber langwährende Beziehungen und über die Kunst mit Nachsicht auf das eigene Leben zurückzuschauen. 

 

Leila Mottley: Nightcrawling / Nachtschwärmerin @ECCO Verlag
Übersetzt von: Yasemin Dinçer

Nachtschwärmerin ist einer der drei Debut-Romane auf der diesjährigen Longlist und zugleich von der jüngsten Autorin geschrieben, die je für den Booker Prize nominiert war: Leila Mottley ist 20 Jahre alt und hat einen heftigen, traurigen und kämpferischen Roman über ein Leben in den Fängen von Armut und patriarchaler Gewalt geschrieben. Die 16-jährige Protagonistin Kiara lebt im Osten Oaklands, fürchtet die kommende Mieterhöhung und kann sich beim Geld verdienen weder auf ihren Bruder noch auf ihre Eltern verlassen – ihr Vater ist verstorben und die Mutter sitzt im Gefängnis. Sie landet in der Prostitution und wird von Polizisten zuerst vergewaltigt und anschließend erpresst. Ihren Weg, den sie gemeinsam mit Nachbarn, Freunden und Familie geht und der trotz alledem Zärtlichkeit und Solidarität hervorbringt, beschreibt Leila Mottley eindringlich und nüchtern zugleich, ein beeindruckendes Debut!

 

Hernan Diaz: Trust / Treue, @Hanser Berlin Verlag
Übersetzt von: Hannes Meyer

Wenngleich der Titel in der deutschen Übersetzung seine Doppeldeutigkeit verliert, der Roman bleibt raffiniert konstruiert und sprachlich eine große Freude! Treue erzählt die Geschichte eines grandiosen wirtschaftlichen Aufstiegs aus vier Perspektiven – ob dabei der Wohlstand dieses Einzelnen den Wohlstand der Nation befruchtet, wie der Protagonist dieses Aufstiegs immer wieder versichert, gilt es herauszufinden. Der Reichtum des Romans entfaltet sich in jedem Fall im Laufe der Zeit und mit jedem neu eingenommenen Blickwinkel: Wer hat die Deutungshoheit über das eigene Leben, insbesondere wenn dieses Leben zwangsweise auch ein Öffentliches ist; und welche Deutung kommt der Wahrheit am nächsten? Hernan Diaz hat einen spannenden Roman über den Anfang des 20. Jahrhunderts in den USA geschrieben, über die Börse und die Liebe und über Vertrauen und Fiktion.