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Schwarze Jakobiner

Neues Interesse an Touissant Louverture und der Haitianischen Revolution

In der deutschsprachigen Wikipedia beginnt der Eintrag zum wohl bekanntesten Schlachtruf der Französischen Revolution wie folgt:
„Die Parole „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“ (französisch Liberté, Égalité, Fraternité) ist der Wahlspruch der heutigen Französischen Republik und der Republik Haiti. Er fußt auf den Losungen der Französischen Revolution 1789.“
Besonders interessant und auf den ersten Blick vielleicht überraschend ist der Zusatz zu Haiti. Im Artikel wird dann auch nicht näher begründet, was die Republik Haiti mit der Parole zu tun hat. Doch das deutschsprachige Lesepublikum kann nun anhand von zwei Neuerscheinungen nachvollziehen, wie zwei Jahre nach der Revolution in Frankreich das Versprechen der universellen Freiheit und Gleichheit der Verwirklichung ein Stück näherkam. Während die Französische Revolution im Schulunterricht eine zentrale Rolle spielt, haben die Wenigsten etwas über die parallelen Entwicklungen in Haiti gelernt. Dabei wurde dort die koloniale Perspektive des Menschenrechtsdiskurses entschieden korrigiert: Mit einem erfolgreichen Aufstand gegen Sklaverei und (französische!) koloniale Fremdherrschaft, der 1804 zur ersten unabhängigen und von ehemaligen Sklaven kontrollierten Republik der Welt führte. Zentrale Figur dieses Aufstands ist Toussaint Louverture, über den nun zwei Neuerscheinungen vorliegen.

Bereits Ende letzten Jahres hat der Dietz Verlag gemeinsam mit b_books eine Neuauflage des Klassikers zum Thema herausgebracht: der trinidadische Marxist und Intellektuelle C.L.R. James hatte bereits 1938 mit seinem umfangreich recherchierten Buch „Die schwarzen Jakobiner“ auf die welthistorische Bedeutung der Haitinischen Revolution und Toussaint Louvertures hingewiesen. Die Aufständischen, die schon im Laufe des 18. Jahrhunderts wichtige Erfahrungen der Selbstverwaltung in den sogenannten Maroons sammelten, konnten mithilfe wechselnder Allianzen und ungeheurer Ausdauer die französischen, britischen, spanischen und US-amerikanischen Kolonialtruppen zurückschlagen. James liest Louverture damit als frühen Antiimperialisten und weist nachdrücklich auf den Zusammenhang zwischen den auf Sklaverei basierenden Plantagenökonomien und dem kapitalistischen Siegeszug hin. Insofern verwundert es kaum, das C.L.R. James in den 60er Jahren das erste Mal wiederentdeckt wurde. Die nun vorgelegte Ausgabe beruht auf einer etwas älteren Übersetzung aus der DDR, büßt aber dadurch weder an analytischer Schärfe noch an Aktualität ein – dafür sorgen auch die begleitenden Essays und das Nachwort!

Als umfangreiche und durchweg packend zu lesende biografische Ergänzung hat der C.H. Beck Verlag nun das Buch „Black Spartacus“ des Historikers Sudhir Hazareesingh herausgebracht. Der Autor hat für das Buch in Archiven in Frankreich, Großbritannien, den USA und Spanien recherchiert – in Haiti selbst ist scheinbar nur wenig Material zu finden, auf die Gründe hierfür geht Hazareesingh ebenfalls kurz ein. In der aktuellen Forschung gibt es durchaus einige Debatten um die Rolle Louvertures in der Revolution, einige Darstellungen legten kürzlich den Fokus auf autoritäre Tendenzen in der Führung der Aufstände, sowie auf die Aufrechterhaltung eines Teils des Plantagensystems. Hazareesingh vertritt darin durchaus eigene Positionen, legt einen Fokus auf den Widerstand gegen die Sklaverei und präsentiert damit die umfassendste und großartig erzählte Biografie dieser historischen Ausnahmefigur. Toussaint Louvertures Bedeutung für die weltgeschichtliche Annäherung an Freiheit, Gleichheit und Geschwisterlichkeit ist, wie diese beiden Titel erneut zeigen, kaum zu überschätzen!