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Buchtipps

Eine Insel nahe Neapel mit Blick auf Capri, das Rauschen des Meeres, die vorbeischippernden Kreuzfahrtschiffe... man könnte meinen, hier findet sich ein Paradies für Touristen, doch Nisida beherbergt eine Jugendstrafanstalt.

Drei junge Frauen, eine bedingungslose Freundschaft und eine verhängnisvolle Nacht, die alle Gewissheiten ins Wanken bringt.

Während ihre Schwester Ingrid vier Kinder in sehr dichter Abfolge bekommen hat, schlägt sich Martha, die Ich-Erzählerin des Romans, einerseits seit ihrer Jugend mit einer ererbten depressiven Krankheit herum und andererseits mit dem Glauben, keine Kinder zu wollen bzw. aufgrund der Medikamente keine haben zu dürfen. Wir folgen ihr durch die Zeit ihres Absturzes in der Jugend und der Zeit ihrer Suche als Erwachsene. Die Eltern sind beide gescheiterte Künstlerexistenzen, Martha hängt sich an jeden Strohhalm, der ihr ein normales Leben verspricht.

Marie ist tot. Ihre zwei Jahre ältere Schwester Karla holt ihre Urne nach Hause in die ländliche Idylle Frankens, in der sie aufgewachsen sind und fährt dann nach New York zurück, um Maries Apartment auszuräumen. Sie trifft dort nicht nur die Freunde Maries und versucht Teile von deren Leben noch besser zu verstehen, sondern gleichzeitig versucht sie auch mit ihrer Trauer umzugehen. Beim Ausräumen tauchen auf dem Rechner der bekannten Fotografin geheim aufgenommene Bilder der Nachbarn von gegenüber auf. Warum hat Marie ihrer Schwester Karla davon nie erzählt?

Eigentlich sollte der verträumte Ware seine Sommerferien bei seiner Oma verbringen. Als diese sich verletzt und ins Krankenhaus muss, steht dieser Plan nicht mehr zur Debatte und seine Eltern schicken ihn ins Sommerlager, wo Sport, Teamarbeit und viel Bewegung auf der Tagesordnung stehen. Schon am ersten Tag flüchtet er zur benachbarten Kirchenruine und lernt die schroffe Jolene kennen, die dort ihre Papayas züchtet.

Den Sommer verbringt die junge Bukarester Künstlerin seit jeher bei ihrer Tante in B. – einer rumänischen Kleinstadt an der Grenze zu Transsilvanien. Auch in diesem Jahr schwelgt sie unmittelbar nach der Ankunft in nostalgischen Erinnerungen an die vergangenen Jahre, denn das Leben bei der Tante war immer auch ein Leben fernab der kommunistischen Ceausescu-Diktatur. Doch schnell wird deutlich, dass die Rückkehr in den Ort ihrer Kindheit in diesem Jahr nicht reibungslos verlaufen wird. Nach Jahren des Studiums in Paris ist B. ihr zunehmend fremd geworden - das Erbe des Kommunismus ist bei den Bewohnern der Kleinstadt allgegenwärtig. Der schauerliche Fund einer übel zugerichteten Leiche hilft diesem Zustand nicht ab. Umso stärker versucht die Künstlerin die Fäden ihrer Familiengeschichte und die Verbindungen zu ihren alten Freunden zusammen zu bringen – ein schwieriges Unterfangen, bei dem Personen, Zeit, Ort und Handlung in der Schwebe bleiben. Ein großes Lesevergnügen, bei dem sich Erinnerungen an die Ceaucescu-Diktatur mit dem fantastischen Element des Vampirismus elegant zu einer Kritik an der kapitalistischen Gegenwart verbinden.

Eva Munz erzählt glaubhaft von drei Männern und ihren Verstrickungen rund um Identitätsfragen, falschen Vorbildern und die Suche nach Halt. Hasirs Familie verdiente mit Opiumhandel in Afghanistan Millionen – von dem stattlichen Erbe lebt Hasir nun in Paris. Die Begegnung mit einer Unbekannten lässt längst vergessen geglaubte Dramen wieder aufleben. Sameer, Hasirs Neffe, wächst in einem Waisenhaus in Kabul auf, seinen Onkel sieht er nur anlässlich seltener Heimatbesuche. Für die anderen im Waisenhaus ist Sameer jemand, der Unheil bringt – sein „rotes Teufelshaar“ und Sommersprossen die unübersehbaren Folgen eines Verbrechens: der Vergewaltigung seiner Mutter durch einen sowjetischen Soldaten. Zuletzt ist da Ryder, ein US-Marine, der überraschend für eine militärische Sondereinheit rekrutiert wird – eine Art spirituelle Kampftruppe. Die Wege der drei so unterschiedlichen Charaktere kreuzen sich auf unerwartete Weise, denn alle drei werden ins politische Weltgeschehen um 2001 hineingezogen. Der Roman ist reich an Handlung und Wendungen, wirkt dabei aber nie überladen. Skurriler Humor, fein gezeichnete Charaktere und extremes Tempo – von Eva Munz werden wir in Zukunft hoffentlich noch viel lesen.

Die Geschichten einer israelischen und einer deutschen Familie werden hier parallel erzählt, verbunden sind sie durch Eitan und Maja, die sich auf einer Reise durch Indien begegnen – und ineinander verlieben.

Jeder Satz passt, alles glänzt und überall lauern die Abgründe. William Boyds neuer Roman Trio, der gerade auf Deutsch im Kampa Verlag erschienen ist, porträtiert drei Menschen während eines Filmdrehs an der südenglischen Küste: Talbot Kydd produziert den eher mittelmäßigen Film, dessen Erfolg vor allem an den beiden Stars in den Hauptrollen hängt. Anny Viklund ist die junge und glamouröse Schauspielerin, die die Zuschauer_innen in die Säle und das Geld in die Kassen spülen soll.

Autor und Ich-Erzähler im neuen Roman von Eshkol Nevo teilen sich einige (nicht unwesentliche) biografische Details: Wohnort, Beruf und Namen. Rückblickend stellt sich der Erzähler den Umständen, die ihn ins Jetzt führten. Das Jetzt ist für ihn der Beginn einer ausgewachsenen Midlifecrisis: die Ehe steht kurz vor dem Bruch, die eigene Tochter ist ihm fremd geworden, und beruflich – wir ahnen es  bereits – steckt er in einer Schreibblockade. Besonders ist hier, dass uns das Geschilderte eben nicht in Form eines klassischen Romans begegnet, denn der Erzähler beantwortet schreibend die Fragen eines fiktiven Interviewers. „Haben Sie schon immer gewusst, dass Sie Schriftsteller werden wollten? Wie autobiografisch sind Ihre Bücher? Verwischt sich manchmal die Grenze zwischen Wahrheit und Lüge bei Ihnen?“  Das Ausloten der Grenze zwischen Realität und Fiktion anhand der Figur des Ich-Erzählers beherrscht Eshkol Nevo perfekt.  Der Erzählfluss leidet unter dem Frage-Antwort Spiel keinesfalls; dem Autor gelingt es, die verschiedenen Episoden und Erinnerungen zu einer gelungenen Erzählung zu vereinen.