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Der Gott der kleinen Dinge

Roman, Das Besondere Taschenbuch

Erschienen am 19.04.2010
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783442741052
Sprache: Deutsch
Umfang: 256 S.
Format (T/L/B): 3 x 15.5 x 10 cm
Einband: Leinen

Beschreibung

Geschenkausgabe im kleinen Format, bedrucktes Ganzleinen mit Lesebändchen. Ein himmelblauer Straßenkreuzer fährt an einem klaren Dezembermorgen des Jahres 1969 durch die Reisfelder des südindischen Kerala. Doch was als sonnendurchflutete Autofahrt beginnt, endet in einer Tragödie. Voller Sprachmagie erzählt Arundhati Roy die atemberaubende und schillernde Geschichte einer Familie, die an verbotener Liebe zerbricht.

Autorenportrait

Die Inderin Arundhati Roy studierte Architektur und schrieb mehrere preisgekrönte Drehbücher. Ihr erster Roman »Der Gott der kleinen Dinge« sorgte für eine internationale literarische Sensation und wurde mit dem renommierten Booker Prize ausgezeichnet. Für ihr Engagement im Kampf für die Menschenrechte in ihrem Land erhielt Arundhati Roy den Großen Preis der Welt-Akademie der Kulturen. Die Autorin lebt in Neu-Delhi.

Leseprobe

PARADISE PICKLES & KONSERVEN Der Mai in Ayemenem ist ein heißer, brütender Monat. Die Tage sind lang und feucht. Der Fluß schrumpft, und schwarze Krähen laben sich an leuchtenden Mangos in reglosen, staubgrünen Bäumen. Rote Bananen reifen. Jackfrüchte platzen auf. Schmeißfliegen brummen stumpfsinnig in der nach Früchten duftenden Luft. Dann prallen sie gegen Fensterscheiben und sterben verdutzt in der Sonne.Die Nächte sind klar, jedoch durchdrungen von Trägheit und dumpfer Erwartung.Anfang Juni setzt dann der Südwestmonsun ein, und es folgen drei Monate voll Wind und Wasser, unterbrochen von kurzen Intervallen grellen glitzernden Sonnenlichts, das sich begeisterte Kinder schnappen, um damit zu spielen. Die Landschaft wird schamlos grün. Grenzmarkierungen verwischen, wenn Tapiokazäune Wurzeln schlagen und Blüten treiben. Ziegelmauern werden moosgrün. Pfeffersträucher winden sich an Strommasten empor. Rabiate Kriechpflanzen sprengen den Lateritboden und schlängeln sich über die überschwemmten Straßen. Boote schippern durch die Basare. Und in den Pfützen, die die Schlaglöcher in den großen Landstraßen ausfüllen, tauchen kleine Fische auf.Es regnete, als Rahel nach Ayemenem zurückkehrte. Schräge, silberfarbene Schnüre prallten auf die lockere Erde, wühlten sie auf wie Geschützfeuer. Das alte Haus auf dem Hügel trug sein steiles Giebeldach tief über die Ohren gezogen wie einen Hut. Die von Moos überwachsenen Mauern waren aufgeweicht und platzten fast vor Feuchtigkeit, die aus dem Boden aufstieg. Im wilden, wuchernden Garten wisperten und raschelten kleine Lebewesen. Eine Rattenschlange rieb sich im Unterholz an einem glänzenden Stein. Gelbe Ochsenfrösche kreuzten hoffnungsvoll im schaumigen Teich und suchten nach Weibchen. Ein durchnäßter Mungo flitzte über die mit Laub bedeckte Einfahrt.Das Haus wirkte verlassen. Türen und Fensterwaren verschlossen. Die vordere Veranda war kahl. Unmöbliert. Aber der himmelblaue Plymouth mit den Heckflossen aus Chrom stand noch immer davor, und drinnen war Baby Kochamma noch immer am Leben.Sie war Rahels kleine Großtante, die jüngere Schwester ihres Großvaters. Eigentlich hieß sie Navomi, Navomi Ipe, aber alle Welt nannte sie Baby. Zu Baby Kochamma wurde sie, als sie alt genug war, eine Tante zu sein. Rahel war allerdings nicht gekommen, um sie zu besuchen. Weder Nichte noch kleine Großtante gaben sich diesbezüglich irgendwelchen Illusionen hin. Rahel war gekommen, um ihren Bruder Estha zu sehen. Sie waren zweieiige Zwillinge. 'Dizygotisch', wie die Ärzte es nannten. Gezeugt aus zwei verschiedenen, jedoch gleichzeitig befruchteten Eiern. Estha - Esthappen - war um achtzehn Minuten älter.Sie hatten sich noch nie sehr ähnlich gesehen, Rahel und Estha, und auch als sie dünnarmige Kinder gewesen waren, flachbrüstig, wurmverseucht, mit Elvis-Presley-Tolle, fragte keiner das übliche 'Wer ist wer?' oder 'Welches ist welches?', weder die übermäßig lächelnden Verwandten noch die syrisch-orthodoxen Bischöfe, die das Haus in Ayemenem häufig aufsuchten, um Spenden zu erbitten.Konfusion herrschte an einem tieferen, geheimeren Ort.In jenen frühen amorphen Jahren, als das Gedächtnis gerade einsetzte, als das Leben nur aus Anfängen bestand und nichts ein Ende hatte, als alles für immer war, hielten sich Esthappen und Rahel, wenn sie an sich beide dachten, für ein einziges Ich, und einzeln waren sie ein Wir oder Uns. Als wären sie eine seltene Art siamesischer Zwillinge, mit getrennten Körpern, aber mit einer gemeinsamen Identität.Jetzt, Jahre später, erinnert sich Rahel daran, wie sie eines Nachts aufwachte und leise über Esthas komischen Traum lachte.Sie hat auch andere Erinnerungen, die zu haben sie kein Recht hat.Sie erinnert sich zum Beispiel daran (obwohl sie nicht dabei war), was der Orangenlimo-Zitronenlimo-Mann im Abhilash Talkies mit Estha gemacht hat. Sie erinnert sich an den Geschmack der Tomatensandwiches - Esthas Sandwiches, die Estha gegessen hat - im Madras-Expreß nach Madras.Und das sind nur die k Leseprobe

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