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Yugoslavian Gigolo

Roman

Erschienen am 25.02.2005
Auch erhältlich als:
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783608937336
Sprache: Deutsch
Umfang: 278 S.
Format (T/L/B): 3 x 21.5 x 13.3 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Für Gefühle müssen alle bezahlen. Was finden diese Frauen nur an Branko? - Branko ist Gigolo, ein jugoslawischer Gigolo. Aber eigentlich ist er auf der Flucht. Auf der Flucht vor der Armee und dem Krieg, auf der Flucht vor seinen Gefühlen und seinem jungen Leben. Selbst die Frauen, die ihm helfen wollen, reißen ihn immer tiefer in einen Strudel der Gewalt. - Der neue Drvenkar: ein knallharter Abgesang auf die Liebe. Branko desertiert an seinem Geburtstag. Er setzt sich zu Verwandten in eine kroatische Kleinstadt ab. Dort schlägt er sich mit Aushilfsjobs durch, immer am Rande der Legalität, zunächst als Fahrer, schließlich in einer Schlachterei. Seine ganze Kraft konzentriert er auf ein Ziel: Deutschland, das gelobte Land. Bald bemerkt er, daß er seine Sprachkenntnisse bei Touristinnen zu Geld machen kann, deutschem Geld. Endlich in München eskalieren die Kontakte zu drei Frauen. Denn deren Zärtlichkeit kann er nicht erwidern. Im Hintergrund dieser 'tour de force' läuft, kaum bemerkt, der Bürgerkrieg auf dem Balkan ab, der dennoch seine Spuren hinterläßt: Brankos Herzensleid steht auch für die kaum verheilten Wunden Europas. Brankos Traum vom Einwanderungsland Deutschland, in dem alles gut werden wird und in dem doch schließlich alle Gefühle erfrieren, gerinnt zum Alptraum. Der Leser erwacht daraus atemlos, voller Mitleid und Trauer.

Autorenportrait

Zoran Drvenkar wurde 1967 in Krizevci (heutiges Kroatien) geboren und zog als Dreijähriger mit seinen Eltern nach Berlin, wo er auch heute lebt. Seit 1989 arbeitet er als freier Schriftsteller. Für seine Romane, Gedichte, Theaterstücke und Kurzgeschichten wurde Zoran Drvenkar mit zahlreichen Literaturstipendien und Preisen ausgezeichnet: Unter anderem erhielt er 1998 für seinen ersten Roman den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis und 2001 den Würth-Literaturpreis. 2003 wurde ihm der Hansjörg-Martin-Kinder- und Jugendkrimipreis verliehen. 2003 debütierte er bei Klett-Cotta als bemerkenswerter Romancier auch für Erwachsene mit Du bist zu schnell.

Leseprobe

Als ich im Oktober 1968 geboren wurde, wußte ich nicht, daß ich dreiundzwanzig Jahre später sterben sollte. Auf den Tag genau. Ich erwachte an meinem Geburtstag einige Minuten vor dem Klingeln des Weckers und lauschte auf die Geräusche des Hauses - Mutters Schritte, das hohle Gurgeln des Wassers in den Leitungen und dann wieder Stille. Es war so früh, daß die Vögel noch nicht zu hören waren. Wir sprachen beim Frühstück wenig. Ich nahm die beiden Geschenke dankend entgegen und verstaute sie ungeöffnet in meinem Gepäck, während Mutter den Tisch abdeckte. Danach stand sie am Fenster in ihrem Rock, der Bluse und dem Kopftuch - schwarz in schwarz vor der Dunkelheit des Morgens, die ewige Witwe. Sie drehte sich nicht um, als ich mir das Jackett anzog, ihr Gesicht spiegelte sich weiß im Fensterglas. Ich ließ die Kerze auf dem Tisch brennen, trat an die Seite meiner Mutter und küßte sie zum Abschied auf die Wange. Eine der Katzen folgte mir ein paar Häuser weit und setzte sich dann mitten auf die Straße. Ich schaute zurück und sah meine Mutter am Fenster stehen. Ich winkte ihr, sie winkte nicht zurück. Erst als ich mir sicher war, daß sie mich nicht mehr sehen konnte, zündete ich mir eine Zigarette an. Mit dem Ausatmen des Rauches wurde ich ruhiger. Ich wußte, nichts würde schiefgehen. Ich war auf dem Weg zum Marktplatz, wo der Linienbus Richtung Zagreb wartete. Die Fahrkarte steckte gefaltet in der Brusttasche meines Hemdes, in der linken Hand hielt ich den Koffer, rechts eine rotweiß gestreifte Plastiktüte mit harten, faustgroßen Äpfeln. Mein Magen begann bei dem Gedanken an die Äpfel zu rumoren. Wahrscheinlich hätte ich zum Frühstück nicht nur vier Tassen Kaffee trinken, sondern auch etwas essen sollen. Die Zigarette verschlimmerte das Rumoren, ich wollte sie auszuspucken, doch der Filter klebte an meiner Oberlippe fest, also setzte ich den Koffer ab und schnipste den Stummel auf die Straße. Die Kippe sprang über den Boden und landete in einer Pfütze. Ich straffte die Schultern und blickte mich ein letztes Mal um.