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Ein herrlicher Flecken Erde

eBook - Roman

DVA
Erschienen am 20.11.2009, Auflage: 1/2009
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Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783641037031
Sprache: Deutsch
Umfang: 304 S., 0.36 MB
E-Book
Format: EPUB
DRM: Digitales Wasserzeichen

Beschreibung

Im Osten keine Heimat

Gita muss in ihrem Leben durch mehrere Höllen gehen: von den Nazis als Jüdin gequält, von den Tschechen als Kollaborateurin vertrieben, schließlich von den ehemaligen Nachbarn als habgierige Alte abgestempelt, als sie den Familienbesitz zurückfordert. Doch trotz aller körperlicher und emotionaler Wunden führt Gita den Kampf gegen Unrecht und für Verständigung weiter. Ebenso kompromisslos wie ergreifend schildert dieser preisgekrönte Roman die menschliche Seite der unmenschlichen Geschichte.

Gita will nur nach Hause, sich unter der warmen, weichen Zudecke verkriechen, den geliebten Geruch der Villa in sich aufnehmen. Doch die Realität sieht anders aus, als die Sechzehnjährige 1945 aus dem Konzentrationslager zurück in ihr Heimatdorf, das tschechische Puklice, kommt. Der Familienbesitz wurde konfisziert, Fremde leben jetzt dort, und die Deutschsprachige wird als Staatsfeindin verjagt. Erst sechzig Jahre später kehrt Gita zurück, um die Familie zu rehabilitieren. Und wieder schlägt ihr als ehemalige Großgrundbesitzerin der Hass der Dorfbewohner entgegen. Doch längst ist für Gita Weiterleben zur Kampfansage gegen Gewalt und Lüge geworden. Mutig, mit sehr plastischen, unter die Haut gehenden Bildern und mit enormer Sprachmacht wagt dieser kompromisslose Roman, für den die Autorin mit dem bedeutendsten tschechischen Literaturpreis ausgezeichnet wurde, einen Blick auf die verdrängte deutsch-tschechische Nachkriegsgeschichte.

Autorenportrait

Radka Denemarková, geboren 1968, studierte Germanistik und Bohemistik in Prag, wo sie 1997 promovierte. Sie unterrichtet am Institut für tschechische Literatur in Prag, übersetzt aus dem Deutschen (u.a. Bertolt Brecht und Franz Xaver kroetz) und arbeitet als freie Journalistin. Ein herrlicher Flecken Erde, ihr zweiter Roman, wurde mit dem "Magnesia Litera" ausgezeichnet, 2011 erhielten sie und ihre Übersetzerin dafür den erstmalig vergebenen Usedomer Literaturpreis, das Buch wird gegenwärtig verfilmt.

Leseprobe

Mit einer grünen, spitz zulaufenden Schaufel gräbt Denis im aufgeweichten Boden. Nach dem nächtlichen Sturzregen ist die Erde nass, vollgesogen mit Wasser.
Die zierliche Schaufel dringt immer tiefer ein. Mit hervorgestreckter Zungenspitze, die er ab und zu auch gegen den weißen Zaun seiner Zähne mit zwei fehlenden Latten presst, rammt Denis sie tief in den Boden, hilft mit dem rechten Fuß nach und drückt mit voller Kraft auf den Griff. Das Werkzeug kippt nach hinten. Denis wirft die ausgestochene Erde auf den Haufen zu seiner Rechten und patscht mit der Schaufel drauf. Aus dem Haufen wird ein kleiner Grabhügel. Denis liebt das klatschende Geräusch, diese schmierige Masse. Jetzt legt er die Schaufel beiseite und bohrt den Zeigefinger in den Boden. Der Finger verschwindet bis zum zweiten Glied in der Erde, sie umgibt ihn mit einer angenehmen Frostigkeit, kriecht aber auch hinter den Fingernagel, ignoriert die Trennlinie zwischen Fleisch und Nagel, drängt sich dazwischen. Die Erde wird zu einem schmerzhaften Hindernis. Wenn er den Finger mit gleicher Kraft tiefer bohrt, wird aus der Wonne eine Strafe. Denis zieht ihn rasch heraus. Er hält sich den mit Erde verschmierten dünnen Stift vor die Augen, beobachtet ihn neugierig von allen Seiten, presst ihn gegen seine Wange. In einer schwungvollen Bewegung zieht er ihn sich über das ganze Gesicht, verschmiert zuerst die linke, dann die rechte Wange, fährt mit ihm über die Stirn und quer über den Hals, schmiert den kleinen Buckel an der Kehle zu.
Ein lauernder Indianer auf dem Kriegspfad.
Seine verdreckte Hand fasst wieder nach der Schaufel, die grüne Farbe am Griff ist kaum noch zu sehen, die Schaufel schält Schichten von Erde und Lehm ab, der Boden ist von Graswurzeln durchwachsen, die feinen Haare der Wurzeln halten die Erde zusammen, und die Schaufel schneidet sie in dünne Streifen. Nach einer Weile stockt sie, sie verbiegt sich fast und erstarrt über einem widerspenstig harten Hindernis. Denis verändert die Taktik. Er hört auf, das Lehmgyros mit kraftvollen Schnitten der Länge nach zu bearbeiten, und meißelt es mit schnellen Bewegungen fieberhaft ab. Als er außer Atem seine Arbeit beendet, liegt eine schmale Schüssel mit merkwürdigen Ausbuchtungen vor ihm, durchzogen von ausgefransten Rissen und Löchern. Eine weiße Schale. Er holt sie aus der Erde und macht sie sauber. Kratzt den restlichen Schmutz heraus. Spült sie mit seiner Gießkanne ab, auch die ist grün, nur der Rüssel am Brausemundstück ist rot. Zweimal muss er seinen Fund verlassen, um die Kanne mit schmutzigem Regenwasser nachzufüllen. Aus einer alten angerosteten Badewanne, die vor Jahren neben das Erdbeerbeet gestellt worden war, damit Denis im Sommer in ihr planschen konnte. Er dreht die gesäuberte, durchlöcherte Schüssel um. Hält sie sich über den Kopf. Überrascht starrt er in zwei leere Öffnungen. Augenhöhlen.
Es ist ein Schädel. Ein Menschenschädel. Der fünfjährige Denis trägt ihn vorsichtig aus dem Apfelgarten in seinen Sandkasten.

Die FRAU steht breitbeinig da. Gedankenverloren wischt sie sich die Hände am rot-weiß karierten Geschirrtuch ab. Sie sind längst trocken, aber sie wischt sie immer wieder ab, massiert sie, ungewöhnlich lange, verloren in bruchstückhaften Erinnerungen, die sie zu fangen, einzuordnen und zu einem Bild zu fügen versucht. Das Geschirrtuch wirft sie auf den mehrfach überstrichenen Küchenstuhl mit abblätternder Farbe neben dem Herd. Sie greift nach einem strahlend weißen Porzellanteller mit blauen Ornamenten, der sich gegen die ländliche Bräune ihres Gesichts abhebt, und bedeckt ihn mit einem gleichmäßigen Kranz von Knödelscheiben. In die entstandene Mulde gießt sie mit einer Silberkelle eine dunkelbraune Soße mit faserigen Fleischklumpen. Sie arbeitet ganz vorsichtig, damit die weiße Reinheit der Knödel nicht zerstört wird.
Den dampfenden Teller stellt sie im Esszimmer vor den Mann, der sich bereits das müde Gesicht gewaschen und die Ärmel seines blau-weißen Flanellhemds hochgekrempelt hat. obwohl vor ihm auf dem Tisch ein speziell für diesen Zweck angefertigtes Glas steht, mit einer ungewöhnlichen Gravierung.
»Warum erzählst du mir das?«
Sie habe Denis beim Kuchenbacken gefunden. Er saß mitten in einem Sandhaufen, um ihn herum riesige, sonderbar geformte Hügel. Dunkelgelb gefärbte Berge mit Vertiefungen und Ausbuchtungen. Wie ein Teig, der vor dem Backen im Ofen aus der Form ausgelaufen war. Voller Andacht schaufelte Denis den nassen Sand in ein merkwürdiges, durchlöchertes Gefäß.
»Wenn er was aus der Küche genommen hat, dann kleb ihm einfach eine. Das nächste Mal verkneift er sich das.«
Die Frau holt Luft und fährt fort, unbeirrt ihre Wörter aneinanderzureihen. Als sie näher an den Sandkasten trat, sagte Denis kein Wort. Er wartete. Er spürte wohl, dass er etwas Kostbares gefunden hatte. Etwas Heiliges. Einen Schatz. Bloß wusste er noch nicht, was für einen. Erregt riss ihm die Frau seinen wunderlichen Fund aus der verdreckten Hand und brachte ihn in den Schuppen. Denis trippelte schweigend hinter ihr her, zupfte trotzig an ihrem Rock, kämpfte mit ihr. Sie klebte ihm eine.
»Komm endlich zur Sache, Mensch!«
»Das war kein ... normales Ding. Es ist ... es ist der ...«
Als hätte jemand der FRAU den ganzen Knödelkranz in den Hals gestopft und mit der Angst vermischt, die ihre Stimme zum Zittern bringt.

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