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New Art City

Manhattan und die Erfindung der Gegenwartskunst

Erschienen am 26.08.2006
Bibliografische Daten
ISBN/EAN: 9783446207783
Sprache: Deutsch
Umfang: 720 S., 330 s/w Illustr., 328 s/w Fotos
Format (T/L/B): 4.3 x 24.4 x 17.8 cm
Einband: gebundenes Buch

Beschreibung

Künstler, Galerien, Kritiker: In Manhattan schlägt das Herz der Gegenwartskunst. Kaum ein großer Name, kaum eine neue Bewegung der letzten Jahrzehnte, die nicht von Manhattan ausgegangen wäre. Jed Perl, einer der wichtigsten Kunstkritiker New Yorks, hat die Geschichte Manhattans als Kunstmetropole aufgeschrieben. Ein Who's who der Künstler von Jackson Pollock über Andy Warhol bis Donald Judd. Und eine Liebeserklärung an Manhattan als Lebensform, die ein atemberaubendes Kapitel in der Entwicklung der Künste ermöglicht hat.

Leseprobe

Unter den zahllosen Möglichkeiten der Nachkriegsjahre läßt sich sicherlich ein Grundmuster ausmachen, und dieses Grundmuster hat auf jeden Fall mit sich wandelnden Einstellungen gegenüber Geschichte zu tun und gegenüber Tradition, die Geschichte in ihrem zeitlosen Aspekt ist. Während der ersten Hälfte der vierziger Jahre kämpften die interessantesten amerikanischen Künstler darum, für sich einen Platz in der breiteren Entwicklung der Kunst zu finden, und dieser Kampf gab ihrem Werk oftmals eine romantische Leidenschaftlichkeit dunkler Tönung. Im Ringen mit den ehrfurchtgebietenden Errungenschaften der Vergangenheit gerieten die Künstler in Konfrontationen, die ihrem Wesen nach dialektisch waren, und aus diesen Konfrontationen erwuchs die Überzeugung, daß New York schließlich doch noch eine Weltstadt der Kunst werden würde. Hofmann erlangte um die Mitte des Jahrhunderts deshalb eine solche starke Präsenz, weil er wußte, daß New Yorker Künstler nur dann ihren Platz in der Geschichte finden würden, wenn sie sich dem Geist der Dialektik verschrieben - der Überzeugung, daß Widersprüche zu Offenbarungen führen können. Doch Hofmann verstand noch etwas anderes sehr Wichtiges, nämlich daß sich Künstler, um ein hohes Leistungsniveau zu halten, ständig das empirische Wesen des Schaffensprozesses vor Augen halten müssen. Indem sie eine gesunde Skepsis demgegenüber beibehielten, was sich als diffuse Verheißungen und nebulöse Epiphanien der Dialektik erweisen mochte, bewahrten die Künstler die Freiheit, sich auf das Unmittelbarste zu konzentrieren, auf das, was sie selbst anging. Dieses Bedürfnis nach Unmittelbarkeit beinhaltete keine Empirie im philosophischen Sinne der winzigsten Elemente der Wahrnehmung, sondern eine Empirie im allgemeineren Sinne als Anerkenntnis der Grundlagen künstlerischer Tradition, ob es sich dabei nun um die Farbpalette handelte oder um die Landschaft, die man vor Augen hatte, um eine Vorstellung von strukturellen Grundgegebenheiten oder die Schönheit von Materialien. Hofmann lehrte seine ­Studenten, daß der beste Dialektiker immer auch ein Empiriker sei und daß der Empiriker nicht weit komme, wenn er nicht die dialektischen Bewegungen von Geschichte und Tradition erfasse. Kein Wunder, daß Miz ihn als ein aus Widersprüchen bestehendes Geschöpf bezeichnete - mit dem deutschen Wort Widerspruchsgeist. Der Kampf um Unabhängigkeit, den jeder moderne Künstler ausgetragen hat, gestaltete sich bei den Malern und Bildhauern New Yorks besonders vehement, und in dieser Vehemenz klang eine frühere Erscheinungsform amerikanischer Hartnäckigkeit an. Die meisten der Downtown-Künstler dachten wie Hamlin Garland, der amerikanische Autor der Jahrhundertwende, der in seinem Manifest Crumbling Idols ('Zerfallende Idole') verkündet hatte: 'Kunst, darauf muß ich bestehen, ist eine individuelle Sache - es geht dabei um einen Menschen, der sich bestimmten Fakten stellt und seine individuelle Beziehung zu diesen wiedergibt.' Die große Frage war natürlich, was der Individualität in der Kunst dienlich war. Die oftmals anarchische Energie der Stadt schien die Haltung zu rechtfertigen, immer das zu tun, wonach einem der Sinn stand - eine Haltung, die anfangs der Kunst Energie zuführte, aber zugleich in lähmenden Nihilismus zu zerfallen drohte. Mitte der fünfziger Jahre spürte New York bereits die Folge einer Entwicklung, einer um sich greifenden Wiederholung der dadaistischen Kapriolen, die während des Ersten Weltkriegs in Europa begonnen und sich in den zwanziger Jahren nur scheinbar erschöpft hatten. Marcel Duchamp, der ­Kö­nig des Dada, hatte jahrzehntelang immer wieder in Manhattan gelebt. Lange Zeit war er der Überzeugung gewesen, daß Kunst ins Leben übergehen sollte, und nun entdeckte er, daß es jüngere Künstler gab, darunter Jasper Johns und Robert Rauschenberg, die ihm zustimmten. Duchamp fand den Geruch von Terpentin unerträglich und fragte sich, wie man überhaupt auf die Idee kommen konnte zu malen. Anstelle ... Leseprobe